Netzwerke der deutschsprachigen Literatur aus Rumänien. Akteure und Institutionen nach dem Ersten Weltkrieg bis in die Gegenwart
Konzept und Organisation: Dr. Olivia Spiridon
Mit dem Fokus auf Netzwerke setzt sich die Tagung das Ziel, literarische Akteure und ihre Relationierung zu beleuchten und verschiedene Kontexte der Verdichtung und Ausdehnung der kulturellen Kommunikation zu erfassen. Der Blick auf die dynamischen Konstellationen, in denen deutschsprachige Schriftsteller aus den Regionen Banat, Siebenbürgen und Bukowina eingebunden waren, ist gerade angesichts der historischen Zäsuren, gesellschaftlichen Umbrüche und Zusammenbrüche in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und bis in die Gegenwart ergiebig.
Die deutschsprachige Literatur aus Rumänien ist eine Formwandlerin. Sie wurde u.a. als Regional- oder Inselliteratur bezeichnet, als Literatur der Auslandsdeutschen, der Südost- oder gar Donaudeutschen, als rumäniendeutsche, „kleine“ und als interkulturelle Literatur. Sie ist kontextübergreifend auch eine Minderheitenliteratur, womit – angelehnt an einen denkwürdigen Aufsatz von Gerhardt Csejka – das „Mindernde“, doch auch das Revolutionär-Ästhetische sowie ihre erhöhte Unselbstständigkeit angesprochen werden.
Ausgehend davon, dass in Minderheitenkontexten gesellschaftliche Determinierungen in besonderer Weise zu berücksichtigen sind, wird angeregt, situationsgebundene Beziehungsgeflechte auch im Zusammenhang mit situationsübergreifenden Strukturen, wie Felder oder Diskurse, bzw. ihrer Veränderung über historische Zäsuren und Staatsgrenzen hinweg zu sehen. Relationierungen, die sich häufig um institutionelle Neugründungen herausbildeten, wie etwa Zeitschriften, kulturelle Organisationen und Gruppierungen, machen Praktiken sichtbar, durch die Individuen zu Akteuren werden. Zu untersuchen sind strategische und pragmatische Aspekte der Zusammenarbeit von literarischen Akteuren im Kontext sich wandelnder Allianzen und Konkurrenzen, aber auch das Einwirken verschiedener Kraftfelder, die die Autonomie des literarischen Feldes einschränkten. So ging das komplexe Verhältnis der Minderheiten zum rumänischen Staat und zu Deutschland mit häufigen Neuorientierungen und Umbildungen von grenzüberschreitenden Netzwerken einher und der Blick auf die Netzwerke jüdischer Dichter aus der Bukowina zeigt die besondere Dynamik von Grenzziehungen auf. Beziehungen zwischen literarischen Akteuren entfalten sich u.a. aufgrund räumlicher, ethnischer, ideologischer und ästhetischer Zugehörigkeiten und sicherlich sind Interessenlagen und Aushandlungsprozesse bei der Herausbildung, Ausweitung, aber auch Beschränkung von Netzwerken von Relevanz, wie auch der Blick auf die Ambivalenz, aber auch auf die Auflösung existierender Verbindungen etwa nach dem Wechsel aus einem Literaturbetrieb in einen anderen.
Von Interesse ist auch die Untersuchung von Autorschaft als kreativem relationalem Vorgang und von Textualität als weit verzweigter Bezugnahme. Im Sinne von Bruno Latour entstehen Kollektive aus der Wechselwirkung von Aktanten, in denen neue Rollen und Beziehungen entstehen und eigene Stimmen artikuliert werden. Auch auf der Ebene der Diegese ist die Relationierung von lebendigen und leblosen Aktanten spannend, wenn etwa die Ästhetik von Verbindungen zwischen Menschen und lebendig wirkenden Dingen in literarischen Werken analysiert wird.
Die Tagung des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde findet im Institut culturel franco-allemand in Tübingen statt.