Literarische Kommunikation in der deutschen Minderheitenliteratur aus Rumänien. Das Fallbeispiel Joachim Wittstock
Der Schriftsteller und Literaturhistoriker Joachim Wittstock (*1939) illustriert durch sein langjähriges Wirken, die thematische und stilistische Vielfalt über Krisenzeiten sowie kulturpolitische Epochen hinweg und sein persönliches Netzwerk eine lange Zeitspanne kultureller Entwicklungen der deutschen Minderheit aus Rumänien.
Das schriftstellerische Umfeld seiner Familie, aus der mit Oskar Wittstock (1865-1931) und Erwin Wittstock (1899-1962) wichtige Repräsentanten der deutschen Literatur aus Siebenbürgen hervorgingen, soll kein oberflächlicher Hinweis auf biographische Prägungen oder Veranlagungen sein: Die besondere Ausgangssituation für einen in den 1960er Jahren heranwachsenden Schriftsteller wirkte sich zum einen auf das komplexe Verhältnis zur literarischen Tradition der Region aus. Zum anderen waren die Erfahrungen Joachim Wittstocks in einer siebenbürgisch-sächsischen Intellektuellenfamilie ausschlaggebend für sein differenziertes Wissen über den Zustand der deutschen Minderheit aus Rumänien in der Zwischenkriegszeit, während des Zweiten Weltkriegs und in den von Repressionen gekennzeichneten Nachkriegsjahren. Diese schlugen sich in seinen literarisch-fiktionalen Texten, aber auch in seinem literarhistorischen Werk nieder.
Joachim Wittstock ist für die literarische Praxis in einem von Zensur, Misstrauen und Drangsalierungen geprägten Literaturbetrieb emblematisch, in dem es auch galt, durch intensives Aushandeln die von Epoche zu Epoche variierenden Freiräume auszumessen und zu erproben. Aus diesem Grund interessieren neben der besonderen Poetik Wittstocks auch seine besondere Verortung im deutschen Literaturbetrieb aus Rumänien und die Interaktion mit Literaten aus dem In- und Ausland.
Nach der politischen Wende 1989 entschied sich Joachim Wittstock gegen die Auswanderung in die Bundesrepublik Deutschland. Er ist seitdem bereits ein Viertel Jahrhundert als deutscher Schriftsteller und als Vertreter einer fast verschwundenen Minderheit in Rumänien schriftstellerisch aktiv. Neuorientierungen sind an der Thematik und Erzähltechnik auszumachen, aber auch an der Wahl der Verlage und der Vernetzung nach dem leisen, aber gewaltigen Zusammenbruch des deutschsprachigen Literaturbetriebs aus Rumänien.
Als Ergebnis dieses Projekts des Fachbereichs Literaturwissenschaft in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Germanistik an der Universität Sibiu/Hermannstadt (Prof. Maria Sass), Prof. h.c. Dr. Stefan Sienerth und dem Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften Hermannstadt an der Rumänischen Akademie (Prof. Dr. Rudolf Gräf) wird Ende 2019 ein Sammelband erscheinen. Darin werden Beiträge gebündelt, die fachüberschreitend und jenseits der regionalen sowie ethnischen Zugehörigkeiten mit diesem Fallbeispiel über das Gesamtbild Aufschluss geben sollen – etwa mit der Frage, welche literarischen Formen und Räume sich durch welche spezifischen Kommunikationsmedien herausbildeten.